Reizdarm: Wenn der Bauch rebelliert

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Stress, Hektik oder ungewohntes Essen - für einen Reizdarm reicht schon wenig, um die Verdauung aus der Balance zu bringen. Das Reizdarmsyndrom betrifft Millionen von Menschen in Deutschland. Die Beschwerden treten immer wieder auf, belasten den Alltag und machen die Diagnosesuche zur Geduldsprobe.
Reizdarm: Was steckt dahinter?
Ein Reizdarm verweist auf eine funktionelle Störung des Darms und wird meist als Reizdarmsyndrom (RDS) diagnostiziert. Die Besonderheit am RDS ist, dass die Beschwerden in der Regel ohne sichtbare Veränderungen an der Darmschleimhaut auftreten.
Bei einem Reizdarm ist stattdessen die Darm-Hirn-Achse besonders störanfällig. Nerven und Muskeln des Darms reagieren empfindlich auf Reize wie Stress, bestimmte Lebensmittel oder Hormonschwankungen. Zudem arbeiten Darm und Gehirn über Nerven und Botenstoffe eng zusammen. Ist dieses Gleichgewicht gestört, entstehen die typischen Beschwerden.
Schätzungsweise leiden etwa 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland an einem Reizdarm. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Oft beginnen die Beschwerden im frühen Erwachsenenalter, können aber auch erst später auftreten.
Symptome beim Reizdarmsyndrom
Ein Reizdarm kann sich für Betroffene sehr unterschiedlich auswirken. Die häufigsten Beschwerden bei einem Reizdarmsyndrom sind jedoch Bauchschmerzen, Bauchkrämpfe, Völlegefühl, Übelkeit und Blähungen. Sehr typisch ist auch ein veränderter Stuhlgang, wobei bei manchen Menschen eher Durchfall, bei anderen eine hartnäckige Verstopfung dominieren können. Aber auch der Wechsel beider Beschwerden ist häufig.
Einige Betroffene berichten zudem von starkem Stuhldrang oder Schleimauflagerungen am Stuhl. Begleitsymptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen oder Rückenschmerzen können hinzukommen.
Die Beschwerden dauern manchmal nur ein paar Tage, bei manchen Menschen aber auch Wochen oder sogar Monate.
Ursachen eines Reizdarms
Ein RDS ist komplex und auch die Ursachen sind individuell verschieden. Neben einer gestörten Darm-Hirn-Kommunikation spielen häufig mehrere Faktoren zusammen:
- empfindliche Darmnerven
- veränderte Bewegungen der Darmmuskulatur
- entzündliche Veränderungen der Darmwand
- gestörte Darmflora
- frühere Darminfekte oder Antibiotikatherapie
- Stress, Angst und andere psychische Belastungen
- hormonelle Schwankungen
Besonders häufig führen bestimmte Nahrungsmittel oder große Mahlzeiten zu Beschwerden. Auch der Lebensstil spielt eine große Rolle.
Diagnose RDS und ihre Herausforderung
Ein Reizdarm ist eine Ausschlussdiagnose. Das heißt, dass erst andere Ursachen wie Nahrungsmittelunverträglichkeiten, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder auch gut- und bösartige Veränderungen gründlich ausgeschlossen werden müssen, bevor die Diagnose RDS erfolgen kann.
Ärztinnen und Ärzte orientieren sich hierbei häufig an den sogenannten Rom-Kriterien. Demnach liegt ein Reizdarmsyndrom vor, wenn Bauchschmerzen mindestens 3 Monate lang wiederholt auftreten. Zudem sollten sie mit wenigstens zwei dieser Faktoren zusammenhängen:
- Bauchschmerzen bessern sich nach der Darmentleerung
- Stuhlfrequenz verändert sich
- Konsistenz des Stuhls wechselt häufig
Dennoch ist die Diagnose RDS oft nicht leicht zu stellen. Nicht selten lässt sich kein eindeutiger Auslöser für die Beschwerden finden, obwohl dennoch eine andere Ursache als ein Reizdarm dahintersteckt. Um eine klare Diagnose zu stellen, sind aufwändige Tests notwendig, zum Beispiel Blut- und Stuhluntersuchungen, Ultraschall oder auch eine Darmspiegelung. Fachleute bemängeln daher, dass manche Betroffene vorschnell die Diagnose Reizdarm erhalten.
Was hilft bei Reizdarm?
Der Reizdarm stellt keine Gefahr für die Gesundheit dar. Die Beschwerden schränken die Lebensqualität dennoch spürbar ein. Bislang ist eine Heilung des Reizdarmsyndroms allerdings nicht möglich. Wenn die persönlichen Auslöser gefunden und vermieden werden, lassen sich die Beschwerden aber eindämmen.
Dabei kommt während einer RDS-Therapie der Ernährung eine Schlüsselrolle zu. Aber auch andere Ansätze sind vielversprechend und können individuell ausprobiert und in den Alltag integriert werden.
Ernährung bei Reizdarm: leicht und bekömmlich
Eine sanfte Kost hilft der Verdauung und beruhigt den Darm. Menschen mit RDS vertragen deshalb vor allem leicht verdauliche Speisen. Bewährt haben sich:
- kleine, häufigere Mahlzeiten
- gekochtes Gemüse und milde Kräuter
- Ballaststoffe in gut verträglichen Mengen
- ausreichend Flüssigkeit, am besten stilles Wasser oder milde Teesorten wie Pfefferminze, Kamille oder Fenchel
- probiotische Produkte wie Kefir, die die Darmflora wieder ins Gleichgewicht bringen
Besonders zuckerreiche, fettige oder stark verarbeitete Produkte führen bei vielen Betroffenen zu Beschwerden. Auch blähende Speisen wie Hülsenfrüchte, Kohl und Zwiebeln können die Symptome verstärken und sollten gerade in beschwerdereichen Phasen gemieden oder stark reduziert werden.
Zudem ist es sinnvoll, langsam zu essen und gut zu kauen. Regelmäßige Mahlzeiten geben der Verdauung außerdem Struktur. Auch eine gezielte Ernährungstherapie mit professioneller Begleitung, etwa eine FODMAP-reduzierte Diät, kann helfen.
Entspannung: Der Darm liebt Pausen
Neben der Ernährung wirken sich Bewegung und der Umgang mit Stress auf das Reizdarmsyndrom aus. Spaziergänge, leichtes Ausdauertraining oder Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson beruhigen die überaktive Darm-Nerven-Achse und können die Spannung im Bauch gezielt lösen.
Auch Wärme ist eine einfache, aber sehr effektive Maßnahme, um vor allem akute Beschwerden wie Blähungen und Bauchschmerzen zu lindern. Eine Wärmflasche oder ein warmes Körnerkissen auf dem Bauch entspannt die Muskeln und reduziert das Druckgefühl.
Medikamente & ärztliche Hilfe
Halten die Beschwerden trotz bewusster Lebensweise an, können Medikamente und Arzneimittel die Behandlung von RDS unterstützen.
Ärztinnen und Ärzte setzen Medikamente ein, die die Schmerzwahrnehmung dämpfen oder die Darmtätigkeit regulieren. Pflanzliche Mittel wie Pfefferminzöl entspannen die Darmmuskulatur. Bei Durchfall kommen Quellstoffe wie Flohsamenschalen zum Einsatz, bei hartnäckiger Verstopfung helfen außerdem sanfte Abführhilfen.
Zudem zeigen psychologische Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie oder Hypnose vielversprechende Erfolge.